TextileMission-Fachkonferenz in Berlin

Experten zeigen vielversprechende Lösungen auf


Was wissen wir heute über das Ausmaß der Umweltbelastung durch Mikroplastik? Welche Rolle spielen dabei synthetische Textilien? Und wie kann der Eintrag textilen Mikroplastiks in die Umwelt nachhaltig reduziert werden? Diese und weitere Fragen standen am 17. Mai 2018 im Mittelpunkt der Fachkonferenz im Berliner Hotel Dietrich Bonhoeffer Haus, die von Partnerorganisationen des Verbundprojektes "TextileMission" in Berlin organisiert wurde.

Ziel der Veranstaltung war es, das BMBF-Förderprojekt "TextileMission" einem ausgewählten Fachpublikum näher vorzustellen, Lösungsansätze zu diskutieren und eine Austauschplattform für Vertreter/-innen aus Industrie, Forschung, Politik und Umweltschutz zu bieten. Zentrale Themen waren:

•    Mikroplastik in der Umwelt – Status quo der Forschung
•    Biobasierte Kunststoffe und biologische Abbaubarkeit von Fasermaterialien
•    Potenziale textiltechnischer Forschung
•    Rückhalt von Mikroplastik in Kläranlagen

Einheitliche Methoden und Begriffe etablieren

Dr. Claus-Gerhard Bannick, Fachgebietsleiter Abwassertechnikforschung beim Umweltbundesamt (UBA), sprach über aktuelle UBA-Aktivitäten zur Mikroplastikreduktion und gab Hinweise zu wissenschaftlichen und regulatorischen Aspekten. Alles in allem gehen die Experten des UBA für Deutschland von einem geschätzten Volumen des jährlichen Mikroplastikeintrags in die Umwelt aus Textilien von 80 bis 400 Tonnen aus. Zum Vergleich: Der Abrieb von Autoreifen bringt es demnach auf 60.000 bis 110.000 Tonnen.

Eine exakte Bilanzierung der Gesamtmenge an primärem und sekundärem Mikroplastik in der Umwelt ist zurzeit aufgrund fehlender Daten weder für den nationalen, europäischen noch internationalen Bereich möglich. Dies hat verschiedene Gründe. Als einen davon nannte Bannick das Fehlen einer einheitlichen, international anerkannten Definition für Mikrokunststoff, wobei er selbst auf den im Entwurf des ISO TC 61 Plastics vorliegenden Vorschlag verwies. Hier erfolgen eine Größenlimitierung nach unten (Detektionsgrenze Raman-Spektroskopie), sowie eine Beschreibung der Anwendung der Größendimensionierung. Bannick führte weiter aus, dass auch die unterschiedliche Art und Weise der Probennahme sowie die verschiedenen Detektionsverfahren dazu führen, dass viele der bislang zum Thema Mikroplastik kursierenden Studien nur schwer bis gar nicht miteinander vergleichbar seien. „Für die Ableitung von Normen und die Durchsetzung von Maßnahmenvorschlägen sind jedoch harte Fakten erforderlich. Voraussetzung dafür ist eine einheitliche Datenbasis auf Grundlage harmonisierter, besser standardisierter Untersuchungsverfahren“, so Bannick weiter.

Die Präsentation von Dr. Claus Gerhard Bannick finden Sie hier.

Mikroplastik in Boden, Luft und Wasser

Dr. Bernhard Bauske, Referent Reduzierung Plastikmüll in den Weltmeeren beim WWF Deutschland, fasste in seinem Vortrag den Stand des noch relativ jungen Forschungsfeldes „Mikroplastik in der Umwelt“ zusammen. Hinsichtlich der Herkunft der Partikel wird zwischen primärem Mikroplastik (eigens in der Größe hergestellte Kunststoffpartikel) und sekundärem Mikroplastik (durch Abrieb oder Zerfall entstandene Kunststoffpartikel) unterschieden. „Quellen für primäres Mikroplastik sind unter anderem Kosmetika und industrielle Schleifmittel. Sekundäres Mikroplastik entsteht vor allem beim Abrieb von Autoreifen, beim Zerfall von Plastikmüll wie Plastikflaschen und Einkaufstüten, aber eben auch bei Produktion, beim Tragen und bei der Haushaltswäsche von synthetischen Textilien“, erläuterte Bauske.

Im Kontext des textilen Mikroplastiks plädierte er dafür, auf die irreführende Bezeichnung „Mikrofaser“ zu verzichten, wenn „Mikroplastik“ gemeint sei. Hintergrund: Mikrofasern bezeichnen in der Textilforschung sehr dünne und lange Fasern, die bei einem Gramm Gewicht eine Lauflänge von 10.000 Metern haben und für sehr feine und dichte Gewebe genutzt werden. Das Material spielt hierbei zunächst keine Rolle.

Abseits definitorischer Unklarheiten und einer noch unsicheren Datenlage in Bezug auf die wichtigsten Quellen von Mikroplastik war für Bernhard Bauske der Handlungsbedarf  klar: „Mikroplastik ist weltweit in der Natur gemessen worden – in der Luft, im Boden, in Süßgewässern, in Meeren, in Sedimenten, auch im Eis der Arktis.“ Zudem lagere sich Mikroplastik beispielsweise in Muscheln und Speisefischen ein und kann auf diese Weise auch  zurück zum Menschen gelangen. „Über die Wirkung von Mikroplastik auf Organismen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine eindeutige Aussage getroffen werden. Zwar sind negative Auswirkungen auf Organismen in verschiedenen Laborversuchen nachgewiesen worden – dies jedoch bislang meist mit Konzentrationen, wie sie in der Höhe in der Natur so nicht vorkommen.“

Die Präsentation von Dr. Bernhard Bauske finden Sie hier.

Biobasiert ist nicht gleich biologisch abbaubar

Ein Forschungsschwerpunkt des TextileMission-Projektes beschäftigt sich mit den Potenzialen, die biologisch abbaubares Fasermaterial für die Senkung des textilen Mikroplastikeintrags in die Umwelt hat. Michael Carus, Geschäftsführer des nova-Instituts für ökologische und wirtschaftliche Innovation GmbH, erläuterte den Konferenzteilnehmern vor diesem Hintergrund einige Missverständnisse, die im Zusammenhang mit biologischer Abbaubarkeit von Kunststoffen kursieren: „Biologisch abbaubar ist nicht mit biobasiert gleichzusetzen. Die meisten biologisch basierten Kunststoffprodukte sollen überhaupt nicht abbaubar sein, zum Beispiel Autoreifen, die aus Kautschuk bestehen. Andersherum können aus petrochemischen Verfahren sehr wohl Kunststoffe gewonnen werden, die biologisch abbaubar sind.“

Zu beachten sei zudem, dass Kunststoff für einen biologischen Abbau im Meer besondere Voraussetzungen erfüllen müsse (mehr zu diesem Thema weiter unten). Spannend auch das Zahlenmaterial, das Carus unter Verweis auf die Studie „The Fiber Year 2018 präsentierte, an der sein Institut mitwirkte. „Wir gehen bis zum Jahr 2050 von einem zusätzlichen weltweiten Faserbedarf von 200 Millionen Tonnen aus. Wenn sich der bisherige Trend fortsetzt, würden nicht abbaubare petrochemische Fasern daran einen Anteil von 85 Prozent haben – dies gilt es zu verhindern.“ Hoffnungen setzt er in eine vermehrte Nutzung von Cellulose-Fasern – diese seien nicht nur biologisch abbaubar, sondern hätten zudem noch einen guten CO2 -Fußabdruck.

Die Präsentation von Michael Carus finden Sie hier.

Fleece-Materialien im Fokus textiltechnischer Forschung

Stefan Brandt, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungsinstituts für Textil und Bekleidung der Hochschule Niederrhein, berichtete über die erfolgversprechendsten Vermeidungsstrategien für Mikroplastik textilen Ursprungs. „Textilien sind eine wichtige Quelle für Mikroplastik“, stellte Brandt fest. „Ob Stapelfaser, Filament oder Fleece – unterschiedliche textile Konstruktionen beeinflussen dabei das Ausmaß des Mikroplastikverlustes.“ Im Fokus der Forscher und somit des TextileMission-Projektes sind besonders Fleece-Materialien. Der Grund liegt bereits in der Art ihrer Produktion: Um die von Konsumenten gewünschten Eigenschaften hinsichtlich Wärmerückhaltung, Volumen, Tragekomfort und Optik zu erhalten, werden die Gestricke im Herstellungsprozess mit speziellen Rauhwalzen bearbeitet. „Beim Rauhen kommt es zur mechanischen Zerstörung von Fasern und somit sowohl beim Tragen als auch bei der Haushaltswäsche zu erhöhtem Partikelaustrag“, erklärte Stefan Brandt.

Hier wollen die Textilforscher ansetzen, um emissionsärmere Textilien herzustellen. Dafür ermitteln sie zunächst mittels Waschtests, bei welchen Textilien die meisten Plastikpartikel anfallen und in welcher Größenverteilung dies der Fall ist. Daraus können Rückschlüsse auf Effekte gezogen werden, die beispielsweise die chemische Bearbeitung der Stoffe oder die Konfektion auf das Emissionsverhalten haben könnten. Neben verfahrenstechnischen Optimierungen wird die Hochschule Niederrhein mit biologisch abbaubaren Garnen experimentieren. „Leichte Verarbeitbarkeit und Tauglichkeit für die Massenherstellung sind hierbei wichtige Kriterien für uns“, beschrieb Stefan Brandt die Herausforderung.

Die Präsentation von Stefan Brandt finden Sie hier.

Rückhalt von Mikroplastik in Kläranlagen

Prof. Dr. Stefan Stolte, Leiter des Instituts für Wasserchemie an der TU Dresden, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit Stoffströmen von Mikroplastik und der Frage, wie gut Kläranlagen diese zurückhalten können. „Synthetische Textilien verlieren während ihres Produktlebenszyklus durch Tragen und Waschen bis zu 20 Prozent ihres Gewichtes – wir gehen von bis zu 1900 Partikeln pro Waschgang aus“, sagte der Forscher. Kläranlagen halten Studien zufolge über 95 Prozent des Mikroplastiks aus dem Abwasser zurück, aber der Rückhalt von faserartigen Mikropartikeln ist bisher weniger gut untersucht. „Auch gilt es zu klären, wie viele Mikropartikel mit dem Klärschlamm, der in Deutschland teilweise zum Düngen benutzt wird, auf die Felder gebracht werden“, so Stolte.

So oder so machen die nicht zurückgehaltenen fünf Prozent für Stefan Stolte immer noch eine zu große Gesamtmenge aus. Abhilfe versprechen er und seine Fachkollegen sich von einer vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen, die neben schädlichen Spurenstoffen wie Medikamentenresten und Hormonen auch Mikroplastik abscheiden könnte. Ihre Wirksamkeit speziell bezogen auf Mikroplastik wollen die Forscher an der TU Dresden im Labormaßstab ausloten. Vor Ende des Projektes wollen sie die Erkenntnisse dann nach Möglichkeit auf eine kommunale Kläranlage übertragen.

Die Präsentation von Prof. Dr. Stefan Stolte finden Sie hier.

Weiter zum zweiten Teil: Lebhafte Diskussion in den Arbeitsgruppen