Lebhafte Diskussion in den Arbeitsgruppen

Die Fachkonferenz setzte nicht nur auf Wissensvermittlung durch Experten, sondern wollte ausdrücklich auch zum Meinungsaustausch zum Thema "Textiles Mikroplastik" anregen. Deshalb teilten sich die Konferenzteilnehmer am Nachmittag in drei Arbeitsgruppen auf, in denen sie unter anderem über Potenziale biologisch abbaubarer Rohstoffe, technologische Herausforderungen für die Textilhersteller, Chancen und Grenzen der Verbesserung der Kläranlagentechnologie und die Rolle der Konsumenten diskutierten. Hier finden Sie zusammengefasst Thesen und Einschätzungen der Teilnehmer:

Arbeitsgruppe I: Alternative Fasern und Nachhaltigkeit – Probleme und Forschungsansätze

Hier stellte Christian Lott, Geschäftsführer der Hydra Marine Sciences GmbH, in einem Impulsvortrag zentrale Forschungsergebnisse zum Abbaubarverhalten von als biologisch abbaubar geltenden Kunststoffen in marinen Umwelten vor. Leitfrage war: Unter welchen Bedingungen findet eine vollständige Umwandlung des Polymers zu CO2/Methan, H2O und Biomasse durch Mikroorganismen statt? Die Befunde geben – mit Abstrichen – Hoffnung, dass eine zunehmende Verwendung alternativer Fasermaterialien die negativen Folgen textilen Mikroplastiks für die Umwelt mindern könnte:

•    Alle getesteten Materialien, die im Labortest biologisch abbaubar sind, zeigten in Feldtests Desintegration.
•    Verschiedene Materialien werden unter unterschiedlichen Bedingungen, z.B. Sauerstoffverfügbarkeit, unterschiedlich abgebaut.
•    Die Abbaubarkeit und ihr Tempo hängen von Klimazone und Habitatbedingungen wie Matrix (Wasser, Sand, Schlamm), Temperatur und Nährstoffen ab.

Die Präsentation von Christian Lott finden Sie hier.

Im Anschluss besprachen die Teilnehmer weitere Fragestellungen rund um biologisch abbaubare Rohstoffe und gaben Hinweise für Experimente mit alternativem Fasermaterial:

•    Worauf kommt es bei der Auswahl biologisch abbaubarer Garne an?
Hier sollte im Vorfeld ein methodisch sauberes Vorgehen festgelegt sowie der Einsatz von ausgewählten Testmethoden und Überprüfung durch Zertifikate, DIN- oder ISO-Normen geplant werden. Zudem sollte unbedingt von sogenannten oxo-abbaubaren Kunststoffen Abstand genommen werden. Hintergrund: Es gibt Hinweise, dass diese Kunststoffe nicht biologisch abbaubar sind, sondern lediglich in sehr kleine Stücke zerfallen.

•    Was sind weitere Kriterien bei der Suche nach alternativem Fasermaterial?
Wichtiges Kriterium ist die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Markt. Geeignete Fasern müssen im Spannungsfeld "Funktionalität vs. textile Anforderung vs. Nachhaltigkeit" bestehen. Weitere Bedingung ist, dass die Verfügbarkeit des zugrunde liegenden Rohstoffs und der eingesetzten Mittel sowie Preisstabilität gewährleistet sind. Bei der Betrachtung und Bewertung der Fasern müssen die Herangehensweisen sowie die Testmethoden vergleichbar sein.

•    Was ist bei der Entwicklung emissionsärmerer Textilien zu beachten?
Die Fasern, die für das Projekt schließlich ausgewählt werden, sollten zunächst in ihrer unverarbeiteten Reinform sowie im Anschluss in behandelter Form betrachtet und untersucht werden. Bei der Betrachtung alternativer Fasermaterialien spielt ein ganzheitlicher Ansatz eine entscheidende Rolle. Zudem sollten alle einzelnen Prozessschritte bei der Herstellung von Textilien beleuchtet und angeschaut werden (Beispiel ist hier der HIGG-Index).

 


Arbeitsgruppe II: Herausfiltern von Mikroplastik und Materialumstellung – Potenziale und Grenzen der derzeit diskutierten Lösungen

•    Wo liegen die Chancen und die Grenzen der Optimierung von Kläranlagentechnologie?
Tenor der Runde: Für Deutschland und vergleichbare Länder ein Weg, der gegangen werden sollte. Das globale Mikroplastikproblem wird dieser Ansatz aber wohl auf absehbare Zeit nicht lösen – zu unterentwickelt ist die entsprechende Infrastruktur gerade in den Ländern in Fernost, in denen die meisten Textilien produziert werden und auch unabhängig davon weltweit der meiste Plastikmüll anfällt.

•    Was sollte die Textilwirtschaft ändern?
Einige Anregungen/Meinungen der Teilnehmer: Die Prozesse in den Produktionsländern in Fernost lassen sich wohl nur in kleinen Schritten auf alternative Fasern umstellen; Cellulose ist als Grundstoff gut geeignet und sollte vermehrt genutzt werden; Warnungen vor der Nahrungsmittelkonkurrenz durch den Anbau von biobasierten Rohstoffen sind übertrieben – indem andere Faktoren wie Nahrungsmittelverschwendung oder Anbau von Futtermitteln angegangen werden, kann  genügend Anbaufläche zur Verfügung gestellt werden; die Recyclingfähigkeit von Textilien sollte erhöht werden.

•    Welche alternativen Lösungswege gibt es?
Mikroplastikfilter in Haushaltswaschmaschinen zu installieren klingt vielversprechend, ist aber technisch anspruchsvoll und zwingt die Endverbraucher zur regelmäßigen Entsorgung des Mikroplastiks (die TextileMission-Partner werden eine solche Möglichkeit dennoch austesten); industrielle Waschmaschinen am Produktionsort, die direkt zu Beginn des Produktlebenszyklus ein Gros des Mikroplastiks auswaschen, scheinen bislang leichter umsetzbar.

Arbeitsgruppe III: Nachhaltige und biologisch abbaubare Kleidung aus Verbraucherperspektive

•    Was sind Kundenerwartungen an die Funktionalität von Sport- und Outdoor-Bekleidung aus Fleece?
Wärmerückhaltung, Flauschigkeit, Atmungsaktivität, schnelle Trocknung sind wichtige Eigenschaften, bei denen Konsumenten auch zugunsten höherer Nachhaltigkeit kaum Einbußen akzeptieren werden; Im Vergleich zu Polyester etwa gleichwertige Reißfestigkeit und Färbbarkeit bei biologisch abbaubaren Garnen sicherzustellen, beschreiben Garnhersteller teilweise noch als große technische Herausforderungen.

•    Welche Textilien mit gesenktem Emissionsrisiko gibt es bereits am Markt?
Reduzieren lässt dich der Verlust von textilen Fasern (vor allem bei Fleece-Artikeln) bisher kaum. Alternative Lösungen basieren bisher auf der Verwendung von Naturfasern wie z.B. Lyocell, welche biologisch abbaubar sind. Beispiele sind Fleece-Stoffe aus biologisch abbaubarer gerauter Innenseite, deren Emissionspotenzial als besonders hoch eingeschätzt wird, und Polyester-Außenseite. Solche Lösungen bedeuten aus Sicht der Teilnehmer zumindest einen Schritt in die richtige Richtung; ein diesbezügliches Beispiel für die Verwendung von Tencel stellte der Outdoor-Spezialist VAUDE und TextileMission-Partner anhand seines neuen BIOPILE-Fleeces vor.

•    Welche Rolle spielt das Mikroplastikproblem bei der Kaufentscheidung von Kunden?
Das Bewusstsein wächst zwar langsam, dennoch wird die Masse der Konsumenten auf absehbare Zeit nach Preis einkaufen, und weniger nachhaltige Produkte haben hier häufig einen Vorteil. Einen Beitrag zu einem höheren Bewusstsein auf Konsumentenseite leisten u.a. die Guppyfriend-Waschbeutel der Inititiative Stop! Microwaste. Zudem gilt: Steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten spürbar, wird auch bald der Preis sinken.

•    Welche Potenziale bietet der Ausbau des Recyclings von Textilien für die Reduktion von Mikroplastik?
Manche Teilnehmer waren skeptisch. Recycelte Polyester-Textilien stünden im Verdacht, sogar einen größeren Ausstoß von Mikroplastik zu verursachen, da ihre Qualität geringer sei. Andere wiesen darauf hin, dass durch vermehrtes Recycling zumindest deutlich weniger Fasermaterial neu hergestellt würde. So würde der Ausstoß von Mikroplastik in der Produktion der Stoffe deutlich reduziert, also dort, wo er nach bisherigen Vermutungen am größten zu sein scheint.

Einige Konferenzinhalte gab es auch zum Anfassen. Der TextileMission-Projektpartner VAUDE stellte Teile seiner nachhaltig produzierten Kollektion im Foyer aus. Eine Stoffprobe des im Text erwähnten Tencel-Fleeces sehen Sie auf dem Foto oben links.